Die Stadt im 13. Jahrhundert

ÒStadtluft macht freiÓ sagte sich der einfache Bauer und beschloss sein GlŸck in der Stadt zu suchen. Schlechter wie hier auf dem Lande, nach der letzten Missernte, der UnterdrŸckung durch seinen Herrn und nicht zuletzt dieser Tristess, konnte es ihm auch nicht ergehen. Das kleine Bauernhaus mit dem bisschen Vieh erbte sowieso sein Šlterer Bruder.

Mit weit gešffnetem Mund stand er da und blickte auf die vielen TŸrme und DŠcher. Niemals zuvor sah er solch gewaltige GebŠude, solch hohe Mauern, so viele Menschen. Also fasste er sich allen Mut und ging auf der Stra§e entlang in Richtung des gro§en Tores. Pferde und Ochsengespanne, Karren, Reiter, jegliches Volk, es war ein kommen und gehen. Wozu hab ihr solch hohe Mauern und so ein mŠchtiges Tor, wenn jeder hinein und hinaus gehen kann wie er will?, fragte er den behelmten Mann mit dem Spiess in der Hand. Tore und Mauern, den einen zum Schutze, den andern zum Trutze, erwiderte die Wache. Aber was wollt ihr in unserer Stadt?, fragte die Torwache. Hinein und arbeiten, antwortete er. Da habt ihr GlŸck erwiderte der Bewaffnete. Vor drei Tagen hŠtte ich euch noch davongejagt, aber nun gehen die Arbeiten an der neuen Stadtmauer weiter, meldet euch im Rathaus dort bekommt ihr Arbeit. Eng war es hier, direkt hinter dem Tor, das er gerade durchschritten hatte, befand sich das TuchhŠndlerviertel. LagerhŠuser und Schuppen drangen sich um den kleinen Platz hinter dem Tor. Das Tor war das Westtor, das war auch der Grund warum sich hier hauptsŠchlich TuchhŠndler niedergelassen haben. Am Westtor kam die Stra§e aus Burgund und Frankreich in die Stadt, und mit diesen LŠndern trieb unsere Stadt einen regen Tuchhandel. Die meisten Stra§en und Gassen fŸhrten auf einen zentralen Punkt hin, dort, so erfuhr unser Bauer, findet er das Rathaus. An der Hauptstra§e, die das West- mit dem Osttor verband, reihte sich ein GebŠude an das nŠchste. Besagte HŠndler, die nun au§er Tuch auch noch viele andere Waren anboten: Handwerker, BŠcker, Metzger, Schuster und vieles mehr. É

So oder so Šhnlich kšnnte es sich abgespielt haben. Einer von vielen, die meist aus Not, ihr Leben in einer Stadt mit all ihren Rechten und Pflichten verbringen wollten. Nun was fŸr Rechte und Pflichten waren das?

Binnen ÒJahr und TagÓ.

Erst wenn ein Neuankšmmling innerhalb dieser Frist nicht von seinem Lehensherrn zurŸckgeholt wurde, war es sein Recht in der Stadt zu bleiben. Nun konnte er auch den BŸrgereid ablegen, dies war jedoch meistens mit der Zahlung einer bestimmten Summe verbunden. Desweiteren musste der ÒNeubŸrgerÓ, in den meisten StŠdten, binnen eines Jahres den Erwerb eines GrundstŸckes oder Hauses belegen kšnnen. Da das Einkommen jedoch in den meisten FŠllen nicht reichte, auch nur das Geld fŸr den BŸrgereid aufzubringen, blieb nur die Mšglichkeit als Sasse/Beiwohner, das hei§t Einwohner ohne BŸrgerrecht, in der Stadt sein Auskommen zu suchen. Letztere Gruppe bildete die zahlenmŠ§ig grš§te Schicht in der mittelalterlichen Stadt. Handwerksgesellen, Knechte, MŠgde sowie die gesamte Unterschicht waren Sassen/Beiwohner. Gemein war allen Bewohnern der Stadt, ob er nun Sasse oder BŸrger war, die Gleichheit vor dem Gesetz und die Verpflichtung Steuern zu zahlen.

Herzog Konrad von ZŠhringen lie§ bei der geplanten GrŸndung von Freiburg i. Br. folgende Urkunde erstellen:

"Kund sei allen, ZukŸnftigen wie GegenwŠrtigen, da§ ich, Konrad, in meinem Ort Freiburg einen Markt errichtet habe im Jahre 1120 nach der Geburt des Herrn. Mit den von Ÿberallher zusammengerufenen angesehenen Kaufleuten habe ich in einer beschworenen Vereinbarung beschlossen, da§ sie die Marktsiedlung beginnen und ausbauen sollen. Daher habe ich jedem Kaufmann in der geplanten Marktsiedlung eine HausstŠtte zugewiesen, auf der er ein eigenes Haus erbauen kann, und habe verfŸgt, da§ mir und meinen Nachfolgern von jeder HausstŠtte ein Schilling šffentlicher MŸnze jŠhrlich am Martinstage zu zahlen sei. Es sei daher jedermann kund, da§ ich auf ihre (der Kaufleute) Bitten und WŸnsche hin folgende Rechte bewilligt habe, die - so schien es mir ratsam - in einer Urkunde zusammengeschrieben werden sollten, damit man sie auf lange Zeit im GedŠchtnis bewahre, so da§ meine Kaufleute und ihre Nachkommen mir und meinen Nachfahren gegenŸber dieses Privileg fŸr alle Zeiten behaupten kšnnen.

1. Ich verspreche Frieden und sichere Reise in meinem Machtbereich und Herrschaftsgebiet allen, die meinen Markt aufsuchen. Wenn einer von ihnen auf dieser Strecke beraubt wird, werde ich, wenn er den RŠuber namhaft macht entweder dafŸr sorgen, da§ die Beute zurŸckgegeben wird, oder ich werde selbst zahlen.

2. Wenn einer meiner BŸrger stirbt, soll seine Frau mit den Kindern alles besitzen und frei von allen AnsprŸchen behalten, was ihr Mann hinterlassen hat.

3. Allen Marktsiedlern verleihe ich, da§ sie an den Rechten meines Volkes und der Landsleute teilhaben sollen, soweit ich es vermag, damit sie insbesondere frei von aller Banngewalt die Weiden, WasserlŠufe, Gehšlze und WŠlder nutzen kšnnen.

4. Allen Kaufleuten erlasse ich den Zoll.

5. Niemals werde ich meinen BŸrgern einen neuen Vogt oder einen neuen Priester ohne ihre Wahl setzen, sondern wen sie dazu wŠhlen, den sollen sie unter meiner BestŠtigung haben.

6. Wenn sich zwischen meinen BŸrgern ein Zwist oder Streit erhebt, soll er nicht nach meinem oder ihres Vorstehers Belieben entschieden werden, sondern soll gerichtlich verhandelt werden, wie es Gewohnheit und Recht aller Kaufleute, besonders aber derer von Kšln, ist.

7. Wenn jemand durch Mangel am Lebensnotwendigen dazu gezwungen ist, darf er seinen Besitz verkaufen, wem er will. Der KŠufer aber soll von der HausstŠtte den festgesetzten Zins entrichten.

Damit meine BŸrger diesen Zusagen nicht etwa nur geringen Glauben schenken, habe ich mit zwšlf meiner namhaftesten Ministerialen durch Eid auf die Reliquien der Heiligen dafŸr Sicherheit geleistet, da§ ich und meine Nachfahren alles Vorstehende stets erfŸllen werden. Damit ich aber diesen Eid nicht um irgendeiner Not willen breche, habe ich mit meiner Rechten dem freien Manne... und den Vereidigten des Marktes wegen dieser Sache ein unverbrŸchliches Treuegelšbnis gegeben. Amen."

 

Die Stadtmauer

Der eigentliche Zweck einer Stadtbefestigung war der Schutz der Einwohner einer Stadt, ihres Besitzes, der ProduktionsstŠtten und der HandelsgŸter. Ein weiterer Aspekt, der auch in der Burgenforschung der neueren Zeit immer mehr Beachtung findet, ist die symbolische Wirkung von TŸrmen und hohen Mauern. Die Stadtmauer, die sich scharf aus der umliegenden Landschaft heraushob, fšrderte das SelbstverstŠndnis der StŠdter, und beeindruckte andere. Als Instrument der Kontrolle eignete sich die Stadtmauer bestens. TorwŠchter, die jeden der die Stadt betreten wollte nach seinem Anliegen fragten, Personen passieren lie§ oder andere abwies. Stadttore wurden des nachts verschlossen, es kam niemand herein oder hinaus. ÒTorschlussÓ eben.

Wie war eine Stadtbefestigung aufgebaut? Steinmauern zuerst mit ungedecktem Laufgang, welche die Holzkonstruktionen ablšsten, kamen ab dem 8. Jahrhundert auf. Nebenbei gab es das ganze Mittelalter hindurch Holzkonstruktionen. In dem von mir beschriebenen Zeitraum, der zweiten HŠlfte des 13. Jahrhunderts des heutigen Deutschlands, also der nachstaufischen Zeit, waren Stadtbefestigungen noch relativ einfach gebaut. Meist waren die WehrgŠnge noch nicht gedeckt, und Zinnen eher die Ausnahme. TŸrme gab es fast nur Ÿber Toren oder an sehr gefŠhrdeten Stellen. Das Beispiel der Stadt Kšln, welche im Jahre 1259 eine 6,9 km lange Stadtmauer mit 50 TŸrmen, 12 Toren und 22 Pforten besa§, ist sicher nicht reprŠsentativ fŸr den Gro§teil der StŠdte im 13. Jahrhundert. Am Beispiel Kšlns zeigt sich auch die Bauzeit einer solchen Stadtbefestigung. Von der Genehmigung durch Kaiser und Erzbischof 1179 bis zur Fertigstellung 1259 vergingen 80 Jahre. Eine ÒfertigeÓ Stadtmauer gab es wohl nie. Zum Einen stieg der Bedarf an ummauerter, also geschŸtzter FlŠche, in einer mittelalterlichen Stadt stŠndig. Zum Anderen unterlag auch die AusfŸhrung der Stadtmauer der Entwicklung der MilitŠrtechnik. Gebaut wurde die Stadtmauer im Normalfall von den Einwohnern selbst. In NŸrnberg musste jeder Einwohner der das 12. Lebensjahr erreicht hatte, Arbeit an der Mauer leisten. Man konnte sich aber auch von dieser Verpflichtung loskaufen. Die Stadtmauer war Symbol der Wehrhaftigkeit und UnabhŠngigkeit.